21.12.2022
Hier schreibt unser Mitarbeiter aus Uschgorod, Alexander Chabanov, über aktuelle Ereignisse in der Region Transkarpatien. Dieses Mal berichtet er vom Besuch und der Lesung des Autoren Ulrich Behmann in Uschgorod und beschäftigt sich mit der Frage nach der Normalität in der derzeit alles andere als normalen Zeit in der Ukraine.
Uschgorod: Wut, Tod und Gier
Die Stiftung Interhelp ist seit dem Beginn des Russland-Ukraine-Krieges in der Vorhut der humanitären Hilfe. Der Gründer und Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für internationale Hilfe e.V. (Interhelp) Ulrich Behmann besuchte nun zum zweiten Mal Uschgorod.
Im Hintergrund steckt ein schönes humanitäres Ziel, nämlich: die Unterstützung von Uschgoroder Feuerwehrmännern mit einem Rettungswagen. Die 15 von der Stiftung Interhelp übergebenen Krankenwagen machen ihren Job im Osten und Zentrum der Ukraine und retten Leben. Man erzählt, es solle ab April 2023 einen geschenkten Krankenwagen geben, der typisch deutsch aussieht: Farben, Markierungen und Beschriftungen. Die Besatzung von diesem Wagen behauptet, niemals beschossen zu wurden, weil die Russen nicht wissen, wer da sitzt und welche Konsequenzen es nach sich ziehen kann. Auf solche Weise konnte man bisher viele Menschen retten.
Im Vordergrund ist der Anlass aber noch viel wichtiger. Es sei der Versuch zur Normalität, so Ulrich Behmann. Vieles davon, was vor dem Krieg normal war wie z.B. Kultur, Musik, Filme, Literatur oder Sport ist verloren gegangen. Die Leute konzentrieren sich nun auf wichtigere Dinge, wie z.B. dem Überleben. Aber auch während des Krieges gibt es Streben nach Normalität. Man gewöhnt sich an den Luftalarm, an den Blackout, an Schlafmangel und an Stress, sogar an Tod, wie schrecklich es auch klingen mag. Um die letzten Kräfte und den menschlichen Verstand nicht zu verlieren, braucht man bestimmte Dinge, die vor dem Krieg ganz normal und gewöhnlich waren. Das ist Kultur, das ist Sport, das ist Musik, ein schönes Gericht letztendlich. Gerade über Kultur wird vieles nachgeholt. Nicht am letzten Platz steht dabei die Literatur.
Vor einigen Tagen besuchte Ulrich Behmann das Spachlernzentrum vom Goethe-Institut mit seinen Lesungen und präsentierte dabei drei seiner Bücher: Dezember Tod, November Wut und Januar Gier. Es geht um „Normalität“ und er diskutierte mit dem Publikum darüber, was eigentlich in der menschlichen Seele da drin tief steckt. Da werden die Fragen aufgehoben, ob es normal ist, z.B. zu töten. Natürlich nicht, aber wie viel Böse steckt in einem drin? So lange es normal läuft, kontrolliert man seine dunklen Seiten. Unter gewissen Umständen kommen sie hoch und überwältigen uns. „Ich habe während des Kriegs in Albanien einen Mann kennengelernt. Er war ein Scharfschütze. Er hat mir erzählt, dass es ihm richtig Spaß mache zu sehen, wie ein Kopf von dem treffenden Schuss wie eine Melone zerplatze. Zwei Jahre nach dem Krieg sieht man wieder diesen Mann, schon im Zivilleben und er fragt: Möchte der Herr gefälligst einen Kaffee?“ – erzählte der Autor von drei Bestsellern. Seine berufliche Erfahrung als Krimijournalist lässt ihn in die Psychologie des Täters versinken und seine Beweggründe untersuchen.
Der Leseabend vergeht schnell. Ein Schritt zur Normalität ist gelungen. Wir bedanken uns bei Herrn Behmann fürs Vorlesen mit interessanter Diskussion und freuen uns schon auf den nächsten Besuch. Ein besonderer Dank geht an Frau Syno für die bereitgestellten Räumlichkeiten und Lene Dej für die tolle Organisation des literarischen Abends mit dem Bestsellerautor!
Text und Bilder: Aleksander Chabanov
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