10.10.2022
Der in April vom tschechischen Ministerium für Schule, Jugend und Sport vorgelegte Entwurf zu einem neuen Rahmenbildungsprogramm für die tschechischen Grundschulen* traf bei verschiedenen Gruppen und Institutionen auf starke Kritik, in die nun mit Innenminister Vít Rakušan erstmals ein Regierungsmitglied mit einstimmt. Der Reformvorschlag sieht unter anderem vor, den bislang verpflichtenden Unterricht in einer zweiten Fremdsprache durch einen freiwilligen Unterricht zu ersetzen. Ein Lehrangebot käme dann nur zustande, wenn eine ausreichende Anzahl Schüler ihr Interesse anmeldet. Nach zahlreichen Gruppen und Institutionen, unter anderem der Dachorganisation der deutschen Minderheit in Tschechien, der „Landesversammlung der deutschen Vereine“ (LV), den Botschaftern Deutschlands, Frankreichs, Spaniens und Italiens in einem gemeinsamen offenen Brief, einer Reihe von Sprachfachverbänden sowie sowohl der deutsch-tschechischen wie auch der französisch-tschechischen Industrie- und Handelskammer bezieht nun ein Minister- und Parteikollege Stellung gegen die Pläne des Bildungsministers Vladimír Balaš.
Die deutsche Minderheit in Tschechien hatte sich bereits in einem Protestbrief der Landesversammlung an Premierminister Petr Fiala und mittels einer Onlinepetition vehement gegen die Reformpläne ausgesprochen, da sie den Wegfall des Deutschunterrichts an vielen Schulen und damit das gänzliche Fehlen eines staatlichen Bildungsangebots in der eigenen Muttersprache für die Kinder der Minderheit befürchtet. Dabei seien gerade Deutschkenntnisse aufgrund der engen wirtschaftlichen Verflechtung beider Länder von essenzieller Bedeutung. Darüber hinaus, so der LV-Präsident Martin Dzingel gebe es kulturhistorische Gründe dafür, warum der deutschen Minderheit der Deutschunterricht so wichtig sei: „Der Unterricht der deutschen Sprache wurde der deutschen Minderheit nach dem Zweiten Weltkrieg praktisch verwehrt“. Deutsch ist bislang die am häufigsten gewählte zweite Fremdsprache. Die Landesversammlung der deutschen Vereine schickte daher einen Protestbrief an Premierminister Petr Fiala und startete eine Onlinepetition.
Daneben kamen die meisten Proteste aus den Reihen der Wirtschaftverbände: Bernard Bauer von der Deutsch-Tschechischen Industrie- und Handelskammer verwies auf die 4000 deutschen Unternehmen, die in Tschechien 450 000 Mitarbeiter beschäftigen: „Fremdsprachen sind in den Unternehmen sehr wichtig. Tomáš Jelínek vom Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds nannte die Reduzierung auf eine Fremdsprache gar „ein(en) Schritt in die Vergangenheit“.
Am Rande eines Besuches in München erklärte Innenminister Vít Rakušan nun: „Ich bin dafür, daß auch in Zukunft in der Grundschule eine zweite Fremdsprache unterrichtet wird.“ Nur in Ausnahmefällen, wie etwa bei Schülern mit Lernschwierigkeiten, könne er sich eine Abkehr von der Zwei-Sprachen-Regelung vorstellen. Zu groß seien die wirtschaftlichen und beruflichen Vorteile, gerade bei der Erlernung des Deutschen. Angesichts von über 90 Millionen Deutschsprachigen jenseits von Tschechiens Grenzen, empfehle er sogar das Deutsche als zweite Fremdsprache.
Weiterführende Information:
Lesen Sie hier einen Bericht des Landesecho über die Reaktionen auf die Bildungsreformpläne:
https://landesecho.cz/index.php/forum/2117-deutsch-als-zweite-fremdsprache-in-tschechien-bedroht
Lesen Sie hier den gemeinsamen offenen Brief der Botschafter Deutschlands, Frankreichs, Spaniens und Italiens:
Stiftung Verbundenheit mit den Deutschen im Ausland
An der Feuerwache 19
95445 Bayreuth
Fon: +49 (0) 921-15108240
E-Mail: nfstftng-vrbndnhtd
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