#verbunden_mit Gösta Toft

24.11.2022

Wir als Stiftung Verbundenheit haben vor einigen Wochen davon berichtet, dass mit Herrn Bernard Gaida (Sprecher der AGDM) und Frau Olivia Schubert (Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen) zwei weitere Vertreter der deutschen Minderheiten neu in das Präsidium der FUEN gewählt wurden. Als dritter, langjähriger Repräsentant aus den Reihen der deutschen Minderheiten im höchsten Gremium der FUEN ist Gösta Toft vom Bund Deutscher Nordschleswiger (BDN) aktiv. Herr Gösta Toft ist bereits seit 2016 Mitglied des FUEN-Präsidiums und kann auf eine über 30-jährige Erfahrung in verschiedenen Positionen der Minderheitenpolitik zurückblicken. Gerade wurde er zum dritten Mal in das FUEN-Präsidium gewählt, wozu wir ihm an dieser Stelle noch einmal herzlich gratulieren. Er ist der erste Gast unserer neuen Interview-Reihe #verbunden_mit, die in regelmäßigen Abständen erscheinen und Menschen aus den Minderheiten vorstellen wird.

Gösta Toft

Herr Toft, welche sind Ihre wichtigsten persönlichen Ziele und auch die des gesamten FUEN-Präsidiums für die jetzt begonnene Amtszeit? Was steht ganz vorne auf der Agenda?

Ich verfolge seit 2016 insbesondere das Ziel, die west- und nordeuropäischen Minderheiten wieder in die Gemeinschaft der FUEN einzugliedern. Nach dem Fall des Eisernen Vorhanges sind viele Minderheiten in Osteuropa dazugekommen. Das begrüße ich sehr, aber gleichzeitig haben sich viele westeuropäische Minderheiten zurückgezogen. Diese möchte ich wieder motivieren und für die gemeinsame Sache aktivieren. Gemeinsam haben wir mehr Potential als Vertretung unserer Minderheiten und Sprachgruppen.

Inhaltlich müssen wir uns immer wieder für die Einhaltung der Minderheitenrechte und den Schutz und die Förderung unserer Sprachen und Kulturen einsetzen, so wie es die Konventionen des Europarates und der UN vorsehen. Nur so können wir die kulturelle Vielfalt in Europa erhalten. Dies gilt auch für die EU, die bisher die Vorschläge der Minority-Safepack-Initiative abgelehnt hat. Es erfordert vor allem die Anerkennung des Mehrwertes, des Added Value der Minderheiten und der Sprachgruppen in den einzelnen Staaten der EU. Dafür müssen wir uns stark machen!

Mit den neuen, aber sehr erfahrenen Präsidiumsmitgliedern Frau Olivia Schubert und Herrn Bernard Gaida sowie Ihnen sind die deutschen Minderheiten im Vorstand der FUEN auch zahlenmäßig sehr gut vertreten. Kann man daraus eine gewachsene Akzeptanz bzw. einen gewachsenen Einfluss der deutschen Minderheiten innerhalb des europäischen Minderheitenverbunds ablesen? Wie erwarten sie die Zusammenarbeit mit beiden? Was bedeutet dies für die Stellung der AGDM innerhalb der FUEN?

Die deutschen Minderheiten waren schon immer eine starke Gruppierung innerhalb der FUEN und sind in der Arbeitsgemeinschaft der deutschen Minderheiten (AGDM) sehr gut organisiert. Bernard Gaida ist als Vorsitzender der AGDM nun direkt im Präsidium vertreten und mit Olivia Schubert haben wir eine sehr erfahrene und gut vernetzte Minderheitenvertreterin dazu gewonnen. Das wird die FUEN insgesamt stärken. Es geht darum, mit allen Arbeitsgruppen der FUEN unsere gemeinsamen Ziele umzusetzen.

Die deutsche Sprache gilt als entscheidender Faktor in der Minderheitenarbeit und wird derzeit in Polen als Druckmittel in den bilateralen Beziehungen instrumentalisiert. Andere Länder könnten in Zeiten des wachsenden Nationalismus diesem Beispiel folgen. Wie und wo kann die FUEN hier ansetzen und unterstützen?

Die deutsche Sprache in Polen wird durch die Reduzierung der Stundenzahl für den Deutschunterricht eindeutig geschwächt und die deutsche Minderheit wird instrumentalisiert und diskriminiert. Die Stundenzahl war schon vorher viel zu niedrig angesetzt. Drei Stunden in der Woche reichen aus meiner Sicht nicht aus, eine Stunde erst recht nicht! Das macht Polen „sprachlos“ und schwächt die Entwicklung. Hier ist vor allem der Europarat gefordert, denn die Charta für Regional- und Minderheitensprachen wird nicht eingehalten. Wenn wir auch die vielen kleinen Sprachgemeinschaften erhalten und fördern wollen, müssen die Regelungen der Sprachencharta überall ratifiziert und umgesetzt werden.

Welche Herausforderungen sehen Sie in der Minderheitenarbeit in der nächsten Zeit bzw. In den kommenden Jahren bei sich daheim in Dänemark?

Wir erleben in Nordschleswig, in Dänemark gerade einen Zustrom von Familien aus Deutschland. Unsere Institutionen sind bis an den Rand gefüllt, an vielen Stellen gibt es Engpässe in Schulen und Kindergärten. Wenn man wirklich die Mobilität innerhalb der EU fördern will, dann brauchen wir jetzt einen deutsch-dänischen Handlungsplan, der auch den sogenannten „Investitionsstau“ behebt, der sich in den vergangenen Jahren aufgetürmt hat. Nur dann wird unser deutsch-dänisches Grenzland auch in Zukunft ein Vorbild in der Minderheitenpolitik in Europa sein.

Sie sagen es. Die Deutsche Minderheit in Dänemark gilt in Bezug auf ihre Organisation, Tätigkeiten, Jugend- und Medienarbeit als Vorbild für viele deutsche Minderheiten in Mittel- und Osteuropa sowie die deutschsprachigen Gemeinschaften in aller Welt. Wie und wo sehen sie die Potentiale für Austausch und Zusammenarbeit? Ließen sich aus Ihrer Sicht neue Formate finden, um Know-how auszutauschen?

Nicht nur die deutsche Minderheit, sondern die vier Minderheiten im deutsch-dänischen Grenzland stehen im Mittelpunkt. Wir sind in einer positiven Entwicklung und können auch „Best Practice“-Beispiele liefern. Aber wir können natürlich auch von anderen viel lernen. Ich war gerade zur Europeada 2022 in Kärnten und war beeindruckt von der Kreativität und Geschäftstüchtigkeit in der Region. Davon könnten wir auch profitieren und das werden wir sicher auch, denn die Europeada 2024 findet in der deutsch-dänischen Grenzregion statt. Das öffnet neue Wege der Zusammenarbeit und bezieht ganz andere Zielgruppen mit ein. Eine neue Plattform bietet auch das „MinderheitenKompetenzNetzwerk Schleswig-Holstein/Syddänemark“, in der auch die FUEN vertreten ist. Damit können wir den konkreten Austausch zwischen unseren Minderheiten fördern. Wer Interesse daran hat, wie hier die Zusammenarbeit zwischen den Minderheiten und zwischen Minderheit und Mehrheit konkret umgesetzt wird, darf sich gerne an die FUEN wenden. Das „Minderheiten-Kompetenz- Zentrum“ in Flensburg wird zusätzlich durch das „European Center for Minority Issues (ECMI)“ gestärkt. Damit haben wir eine hervorragende Grundlage für Austausch und Zusammenarbeit!

Herr Toft, vielen Dank für das Gespräch und die Eindrücke aus Ihrer Arbeit.



Das Interview führten Florian Schmelzer und Dominik Duda.

Kontakt

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