Mit den Klick auf "Alle akzeptieren", sind Sie damit einverstanden, dass wir Cookies (auch von Drittanbietern) auf Ihrem Gerät speichern, um das Nutzererlebnis für Sie zu verbessern und für Marketingzwecke Ihre Seitennutzung aufzeichnen. Weiter Informationen finden Sie hier:
Datenschutzerklärung | Impressum
Datum
11.7.2025
Autor

Deutsch: Hier Minderheitensprache, dort Herkunftssprache, aber eine gemeinsame Sprache

Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Tage der Verbundenheit“ der Stiftung Verbundenheit mit den Deutschen im Ausland wurde in der ersten Juliwoche auch eine Sitzung des im vergangenen Jahr gegründeten Fachbeirats „Deutsche Sprache“ abgehalten. Bei der Sitzung im Bayreuther Büro der Stiftung waren Stiftungsratsvorsitzender Hartmut Koschyk, Hauptgeschäftsführer Dr. Marco Just Quilles, die Leiterin des Fachbeirats, Dr. Olga Martens, sowie Prof. Dr. Renate v. Ludanyi (USA), Prof. Dr. Stephanie Risse (Südtirol) und Projektkoordinatorin Mónika Ambach bzw. als Gast Stefanie Mischner, Reka v. Ludanyi aus den USA anwesend. Online zugeschaltet haben sich Prof. Dr. Gesine Lenore Schiewer (Deutschland), Claudia Knauer (Dänemark) und Sybilla Dzumla (Polen).

Der vom Stiftungsrat der Stiftung Verbundenheit berufene Fachbeirat „Deutsche Sprache“ erstellte auf Grundlage der derzeitigen globalen Situation der deutschen Sprache und besonders ihrer entscheidenden Rolle, die sie in Mittelosteuropa für die deutschen Minderheiten als Minderheitenmuttersprache, für die deutschsprachigen Gemeinschaften in Nord- und Südamerika als Sprache der Herkunft, aber für viele Menschen in der Welt die Sprache der Wertschätzung und Chancen besitzt, ein Konzeptpapier, welches vergangenes Jahr in der Rumänischen Botschaft präsentiert wurde. Stiftungsvorsitzender Koschyk berichtete dem Fachbeirat, dass seit der Veröffentlichung zahlreiche Rückmeldungen bei der Stiftung eingegangenen seien. Sie beweisen, dass die deutsche Sprache wertgeschätzt werde. Das Konzeptpapier soll dementsprechend auch mit dem Ziel weiterentwickelt werden, es inhaltlich zu schärfen und strategisch zu potenzieren.

Nach einem Impulsreferat von Prof. Renate von Ludanyi, die in Vertretung des German Language School Conference in den USA den Kulturpreis der Stiftung auf der Kulturgala der Stiftung übernehmen durfte, diskutierten die Mitglieder die Thematik im Ländervergleich.

Prof. v. Ludanyi erörterte in ihrem Referat, dass die Terminologie entscheidend sei, und es ein Unterschied zwischen Minderheiten- und Herkunftssprache gemacht werden müsse. In den USA wird Deutsch als Herkunftssprache aufgefasst.  Im engeren Sinne ist die Herkunftssprache meist die erste oder sehr früh erlernte Sprache eines Kindes, die es in seiner Familie lernt, in der nicht (nur) die Sprache der Mehrheitsgesellschaft gesprochen wird. Auch wenn das Kind gleichzeitig die Alltagssprache der Umgebung erwirbt, bleibt die Herkunftssprache doch eine erste Sprache, und man kann dann von einer doppelten Erstsprache sprechen. Die Herkunftssprache ist dabei eine Art Heimatsprache außerhalb der Heimat – ganz gleich, mit welcher Fähigkeit sie gebraucht wird. Auf sozialer Ebene ist die Herkunftssprache ein persönlicher Schatz: Etwas, das man mitnimmt, auch wenn man sein Herkunftsland verlässt. Sie schafft Geborgenheit.  Ihre Bedeutung – neben ihrer Bedeutung als Kommunikationsmittel – liegt vor allem auch in der Identitätsbildung und der Bewahrung der kulturellen Wurzeln. Als Zweitsprache wird die Sprache des Sprechers gemeint, hinter der eine kulturelle Intention steht, z.B. sich in eine Gemeinschaft einzubinden. Es ist erstaunlich, dass die deutsche Auslandssprachpolitik Deutsch im Ausland ausschließlich nur als Fremd- oder Zweitsprache sieht und unterstützt und der Begriff Herkunftssprache wird nicht verwendet. Von ähnlicher Erfahrung berichtete auch Prof. Dr. Stefanie Risse, die als Beispiel die englischsprachigen Veröffentlichungen großer deutscher Kultur- bzw. Sprachinstitutionen in Italien erwähnte. Diese Materialien bieten aber im deutschen Sprachunterricht keine Stütze und motivieren auch nicht zum Sprachenlernen.

Wie Prof. v. Ludanyi erläutert, geht es im Falle von Herkunftssprache nicht um Nostalgie. Anders als Fremdsprachen - die meist einem praktischen, beruflichen oder akademischen Interesse dienen, sind Herkunftssprachen familiär eingebettet, und begünstigen die Weitergabe an junge Heranwachsende, und damit die intergenerationelle Bindung. Sie stärken die kulturelle Selbstvergewisserung in einer Gemeinschaft, zu der auch die Gemeinschaft im Herkunftsland zählt. Die Herkunftssprache ist neben ihrem Nutzen zu internationaler Kommunikation   zusätzlich kulturelles Kapital und Political Soft Power. Das Referat der Professorin soll demnächst in der Reihe „Zur Sache“ in voller Länge veröffentlicht werden.

Claudia Knauer wies bei der Diskussion darauf hin, dass in Nordschleswig man von einer Minderheitensprache sprechen solle. Die Minderheit ist in der Region sesshaft und wanderte nicht ab, die Grenzen wurden lediglich geändert, deswegen ist die deutsche Gemeinschaft zur Minderheit geworden. Ihr schloss sich auch Sybilla Dzumla an und betonte, dass auch die Deutschen aus Polen nicht ausgewandert seien, sondern sich auch in dem Fall die Grenzen verschoben haben. Folglich ist auch in Polen über die deutsche Sprache als Minderheitensprache zu sprechen. Um die deutsche Sprache erhalten zu können, ist es eine Tatsache, dass die Lehrerausbildung gestärkt werden muss. Der Beruf als Lehrer ist gegenwärtig nicht attraktiv. Viele Pädagogen, die ein gutes Deutsch beherrschen wandern oft in die Wirtschaft ab.
Prof. v. Ludanyis Ansicht nach, sei es wichtig, dass Doktoranden sich diesen Themen annehmen und Untersuchungen zu den sprachlichen Situationen durchführen. Sie würden dies bei den Samstagsschulen in den USA willkommen heißen und gerne als Partner von Universitäten fungieren. Diese Meinung teilt auch Prof. Dr. Gesine Lenore Schiewer und unterstützt die Idee auch als Leiterin des Lehrstuhls für Interkulturelle Germanistik der Universität Bayreuth.

Im Herbst soll die nächste Sitzung des Fachbeirats stattfinden, auf dem die Sprachsituation der deutschen Minderheiten sowie Auslandsdeutschen weiterdiskutiert werden soll. Als Ergebnis sollen auf Wissenschaft basierende, aber allgemein verständliche Informationen gebündelt an Entscheidungsträger in der Politik herantragen werden, um eine effektive Förderung der deutschen Sprache weltweit zu ermöglichen.

Unterstützen Sie die Stiftung Verbundenheit

Mit Ihrer Spende unterstützen Sie ausgewählte humanitäre und kulturelle Stiftungsprojekte weltweit. Werden Sie Teil unseres Spenderkreises und erhalten Sie exklusive Einblicke und Angebote.
Unterstützer werden