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Datum
29.6.2025
Autor
Dominik Duda

#verbunden_mit Andreas Stoffels

In unserer neuesten Ausgabe unserer Miniinterview-Reihe #verbunden_mit, in welcher wir interessante Personen und Persönlichkeiten aus den Reihen der deutschen Minderheiten und deutschsprachigen Gemeinschaften und solche, die mit ihnen oder der Stiftung Verbundenheit verbunden sind, näherkennenlernen, sprechen wir mit dem Künstler Andreas Stoffels aus Ostbelgien. Mit seiner Ausstellung "Zwischen den Welten - Deutsche Redewendungen im interkulturellen Gewand" eröffnete er die diesjährigen "Tage der Verbundenheit" der Stiftung Verbundenheit.

Herr Stoffels, Ihre Ausstellung trägt den Titel "Zwischen den Welten - Deutsche Redewendungen im interkulturellen Gewand". Woher kam die Inspiration für diese Ausstellung und ihre Werke, die Sie in dieser zeigen?

Die Idee hat sich über Jahre leise angebahnt. Ich fragte mich: Welche (künstlerischen) Ausdrucksformen ergreifen mich auf eine tiefe, nicht erklärbare Weise? Darunter arabische Kalligrafie, klassische indische Musik – Ausdrucksformen, die mir beide fremd waren und doch unmittelbar etwas in mir berühren. Ich wollte besser verstehen, wieso das so war. Also habe ich mich herangetastet, hineingehört und begonnen, unsere lateinischen Buchstaben in ungewohnte Stimmungen zu versetzen. Ohne genau zu wissen, wohin dies führen würde. Pure Neugierde. Als zu Jahresbeginn die Anfrage zur Ausstellung kam, stellte sich mir plötzlich eine grundsätzliche Frage: Was habe ich – aus meinem Hintergrund heraus – überhaupt zur Idee von Verbundenheit zu sagen? Jetzt, in dieser Lebensphase, anlässlich der Tage der Verbundenheit? Da kamen mir Redewendungen in den Sinn. Keiner weiß, woher sie genau stammen, aber sie klingen uns allen im Ohr, liegen uns auf der Zunge. Sie sind quasi ein Stück Heimat: Vertraut, bildhaft, einprägsam… Immer griffbereit und manchmal etwas abgedroschen. Sie durch diese seltsamen Schriftexperimente zu betrachten, ließ plötzlich etwas aufleuchten: das Fremde im Vertrauten. Und umgekehrt. Noch ein Wort zum Titel: „Zwischen den Welten“ – selbst eine Redewendung – beschreibt für mich auch ein Gefühl, das sicherlich viele kennen: den Schwebezustand. Diesem diffusen Zustand des Nicht-Ankommens möchte ich klare und schöne Formenentlocken, darin eine Chance für Verbundenheit erkennen. 

Sie sprechen von "Identität", "Zugehörigkeit", "Wandel" und "Verbundenheit". Wie sehen Sie diese Elemente in Ihrer Kunst widergespiegelt? Wie zeigen diese sich?

Mir war wichtig, diese großen Begriffe unmittelbar und vielseitig zu zeigen. Ganz direkt durch entsprechende bildnerische Techniken. Die Hintergründe z.B. sind sehr langsam geschriebene Gesten. Mit großen Werkzeugen, lange eingeübt und über mehrere Minuten hinweg. Diese Art des Schreibens hat etwas sehr Körperliches. Für mich enthält sie Parallelen zum Butoh, zum Zen, zur Raga-Musik. Die Hintergründe lassen auch Assoziationen zu wie Fächer, Pflanzen, Flüsse oder mathematische Gebilde. Stichwort „Schwebezustand“: Ich habe mir vorgestellt, wie ein Außerirdischer die Sprache der Menschen nachzuempfinden versucht, ohne sie wirklich zu verstehen. Daher auch die galaktischen Nebel in einigen Bildern. So sind auch fast alle Schreibstile imaginiert. Sie erinnern an ferne Kulturen, sind aber Nachempfindungen in deutscher Sprache. Im Werk „Bolllle“ z.B. sind u.a. indische, arabische, hebräische, koreanische, kyrillische und fiktive Zeichen eingebaut. Sie stehen nicht in ihrem gewohnten Zusammenhang. Deutschsprachige können den Text sicherlich nicht auf Anhieb lesen. Aber – wenn sie sich darauf einlassen –entziffern. Dies funktioniert, weil wir ein Omega immer noch als O interpretieren können bzw. gerne mal ein X für ein U kaufen. Wenn wir unseren Bolle so wiedersehen, dann erleben wir sein Amüsement ganz anders. Kurzum: Die Identitäten, Zugehörigkeiten und Verbundeinheiten sind in den Werken dynamisch angelegt. Sie bleiben beweglich und befinden sich permanent im Wandel.

Sie stammen aus Recht (Gemeinde Sankt Vith) in Ostbelgien, einer Ortschaft in der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens. Deutsche Redewendungen sind ja Teil der deutschen Sprache und werden als geflügelte Worte auch von Generation zu Generation übergeben. Wie sehen Sie die deutsche Sprache - als wichtigen Teil der "Zugehörigkeit" zur Deutschsprachigen Gemeinschaft oder eher als Teil des deutschen Hintergrunds der Menschen, der als selbstverständlich erachtet wird?

Ja genau. Geboren und aufgewachsen bin ich in Recht. Das ist eine gute Frage. Wenn ich an die Deutsche Gemeinschaft denke, dann kommen mir spontan nicht die Redewendungen in den Sinn. Schon auch. Aber für mich sind die Dialekte das, woran ich erkenne, dort zu sein. Oder Menschen zu treffen, die aus der Gegend kommen. Viele Ausdrücke sind im Plattdeutschen von Dorf zu Dorf unterschiedlich. Sie funktionieren lokal ziemlich präzise. Was immer wieder für spielerisches Necken der Nachbardörfer sorgt. Die Sprachmelodie Ostbelgiens finde ich ebenso typisch. Je länger ich in Deutschland lebe, umso mehr fällt sie mir auf. Sie klingt für mich aber auch über die Grenzen hinaus. Im Aachener Raum höre ich auch noch diesen Heimatklang. Es gibt sicherlich typisch ostbelgische Redewendungen. Mein Eindruck ist allerdings, dass Redewendungen eher den gesamten deutschen Sprachraum verbinden. 

Die Stellung der Deutschsprachigen Gemeinschaft in Belgien ist durch die Politik im Lande gesichert. Bräuche und Traditionen werden sicherlich gepflegt. Sehen Sie dennoch, dass sich Kunst und Kultur in der deutschsprachigen Gruppe in Belgien "mehr anstrengen" müssen, um gesehen oder gehört zu werden, in Ostbelgien und darüber hinaus?

Mit dieser Frage tue ich mich etwas schwerer. Meines Wissens sind die Vereine ein wichtiger Baustein für die Traditionspflege und das Stärken des Gemeinschaftssinns. Der Fußball scheint mit ein Positivbeispiel zu sein. Den Rechter Ronnen zum Kirmesauftakt im Dorf pflegt man seit eh und je. Die Auftritte des Turnvereins werden gut besucht. Soweit ich das aus der Distanz erkennen kann, werden Traditionen und Bräuche gepflegt. Auch das Triangel in St. Vith und das Agora-Theater prägen die Kunst und Kultur in der Region und darüber hinaus. Es gibt für junge Bands tolle Möglichkeiten, sich einem Publikum vorzustellen. Ich sehe Anstrengungen an sehr vielen Stellen. Was mir persönlich schwieriger erscheint, sind nischige Kunstformen und Themen. Aber wenn man offen auf Menschen damit zugeht, trifft man auch auf offene Ohren. 

Vielen Dank, Andreas Stoffels, dass Sie sich die Zeit für unser Interview genommen haben.

Danke für Ihre Fragen und diese Ausstellungsmöglichkeit! 

 

Das Interview führte Dominik Duda.

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