Im Rahmen unserer Interviewreihe unter dem Hashtag #verbunden_mit präsentieren wir regelmäßig Persönlichkeiten, die in besonderer Weise mit deutschen Minderheiten und Sprachgemeinschaften verbunden sind. Anknüpfend an die im August 2025 veröffentlichte Erklärung zur Neugewichtung der Bedeutung deutscher Minderheiten und deutschsprachiger Gemeinschaften in der deutschen Politik kommt diesmal eine Schlüsselfigur der Stiftung Verbundenheit zu Wort: Hartmut Koschyk, Stiftungsratsvorsitzender und Parlamentarischer Staatssekretär a.D..
Das Interview beleuchtet die Rolle der Stiftung Verbundenheit im aktuellen gesellschaftlichen und politischen Kontext
Herr Koschyk, was erwarten Sie von Außenminister Johann Wadephul, um im Sinne der im August 2025 veröffentlichten Erklärung der Stiftung Verbundenheit eine außenpolitische Neuausrichtung zu erreichen?
Zunächst einmal müssen sich die Bundesregierung und die verantwortlichen Ressorts selbst darüber im Klaren werden, ob man eine Neugewichtung der Bedeutung deutscher Minderheiten und deutschsprachiger Gemeinschaften in der deutschen Politik will. Wenn ja, dann muss ein klares Bekenntnis mit einer nachhaltigen Strategie formuliert werden, um die Neugewichtung durchzusetzen und finanziell abzusichern. Zu lange wurde die Pflege der Beziehungen zu den Deutschen im Ausland als wertvollen, zivilgesellschaftlichen Akteuren als ein nostalgisches Projekt bewertet und diese nicht als Multiplikatoren der kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Außenbeziehungen Deutschlands in der Welt ernsthaft wahrgenommen. Wir haben im Vorfeld der Bundestagswahl einen Aktionsplan vorgelegt, um das Programm der Stiftung Verbundenheit für die deutschsprachigen Gemeinschaften in der nächsten Legislaturperiode so zu stärken, um insbesondere Brasilien, die USA, Kanada, Namibia und Südafrika einzubeziehen. Die Schaffung der Zuständigkeit eines der bereits bestehenden Staatsminister im Auswärtigen Amt für die kulturellen Belange der deutschsprachigen Gemeinschaften weltweit wäre zudem ein konkreter Schritt für die besagte Aufwertung.
Welche besonderen Mehrwerte kann die Stiftung Verbundenheit bieten, die über das Angebot anderer Mittlerorganisationen, etwa des Goethe-Instituts, hinausgehen?
Der klassische Mittleransatz sieht ihre Zielgruppe – Menschen, die an der deutschen Sprache und Kultur interessiert sind – vorwiegend als Rezipienten der Auswärtigen Kultur- und Gesellschaftspolitik (AKGP). Die Stiftung Verbundenheit setzt über ihr Konzept der Bürgerdiplomatie auf die Netzwerkfunktion von Personen, die sich Deutschland durch Ihre Herkunft, Sprache oder Wertschätzung verbunden fühlen und in ihrem unmittelbaren Umfeld als „Botschafter“ Deutschlands wirken möchten. Dementsprechend setzt die Stiftung Verbundenheit stärker als andere Mittler auf niedrigschwellige Vernetzungsformate und die Begleitung von ehrenamtlichen Bürgerprojekten in unterschiedlichen Themenbereichen der AKGP. Die Stiftung wirkt stärker als andere Mittler außerhalb von Metropolregionen auch auf dem Land mit einem starken partizipativen Angebot für alle Gesellschaftsschichten. Dabei sind fehlende deutsche Sprachkenntnisse kein Ausschlusskriterium. Mithin schafft die Stiftung demokratische Räume der Begegnung für die gesellschaftliche Mitte – offen für unterschiedliche soziale Milieus, historisch sensibel und zukunftsorientiert. Die Stiftung Verbundenheit greift dabei auf ein in den letzten zwei Jahrzehnten aufgebautes globales Netzwerk zurück, das deutsche Minderheiten, deutschsprachige Gemeinschaften und an Deutschland interessierte Menschen verbindet. Sie füllt damit eine strategische Lücke im deutschen Mittlerwesen.
Haben Sie seit dem Regierungswechsel 2025 Veränderungen in der Zusammenarbeit mit Ihrer Stiftung oder hinsichtlich der Resonanz auf Ihre Themen festgestellt – auch seitens der Fördermittelgeber Innenministerium (BMI) und Auswärtiges Amt (AA)?
Grundsätzlich stoßen wir auf ein großes Interesse an unserer Arbeit und eine überparteiliche Unterstützung im parlamentarischen Raum. Dies war im Übrigen auch in der Ampel-Regierung stark zu spüren, die unser Engagement finanziell aufgewertet hat. Wir merken bei den Gesprächen im Auswärtigen Amt und dem Innenministerium ebenfalls ein Interesse der politischen Ebene, jedoch auf der Arbeitsebene gibt es teilweise eine starke Zurückhaltung hinsichtlich einer konsequenteren Aufwertung, beispielsweise durch die Absicherung und Erweiterung bestehender Förderprojekte deutschsprachiger Gemeinschaften und deutscher Minderheiten. Die Wahrung der Verbundenheit zu seinen Bürgern im Ausland pflegt jeder Staat dieser Welt. Deswegen ist die aktive Einbindung deutscher Minderheiten und deutschsprachiger Gemeinschaften in die Ausgestaltung der internationalen Beziehungen Deutschlands kein nostalgisches oder gar rückwärtsgewandtes Projekt, sondern stellt einen zukunftsweisenden Beitrag zu einer nachhaltigen Positionierung Deutschlands in der Welt dar. Dafür wünschen wir uns ein ähnlich starkes Bekenntnis auf der Arbeitsebene der Ministerien wie im Deutschen Bundestag, gerade auch bei den zuständigen Berichterstattern im Haushaltsausschuss. Die Ministerialbürokratie darf den Willen des Parlaments nicht konterkarieren!
Wie ist Ihre Einschätzung mit Blick auf die Koexistenz bzw. Zusammenarbeit mit anderen Mittlerorganisationen?
Wir haben teilweise den Eindruck, dass wir als Konkurrenz wahrgenommen werden. Auch scheint das Interesse anderer Mittler an deutschen Minderheiten und deutschsprachigen Gemeinschaften nicht so intensiv ausgeprägt zu sein. Wir bieten uns regelmäßig als Kooperationspartner für die anderen Mittler und unsere Netzwerke als mögliche Wirkungsräume an. Wir sind aber überzeugt, dass die anderen Mittler bei einer inhaltlichen Diskussion mit uns und mit den von uns betreuten deutschen Minderheiten und deutschsprachigen Gemeinschaft einen Synergieeffekt erzielen könnten.
