Polen wählt einen neuen Präsidenten. Nach zehn Jahren, in denen Andrzej Duda das höchste Amt im Staate hatte, wird nun sein Nachfolgergesucht. Im ersten Wahlgang hatten gut 28 Mio. Polen die Möglichkeit, ihre Stimme abzugeben und die politische Richtung, in die sich das Land nach dem schon erfolgten Regierungswechsel im letzten Jahr bewegen soll, mitzubestimmen.
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Die polnische Gesellschaft ist seit Jahren mit verschiedenen Parteien in zwei Lager gespalten, in ein mitte-rechts, rechts-konservatives oder rechts-nationales Lager auf der einen Seite und ein Lager, das sich in der politischen Mitte, links der Mitte, im liberalen, sozialdemokratischen oderlinken politischen Raum befindet.
Die Wahlbeteiligung lag bei der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen nun bei 67,31 %, was eine recht hohe Beteiligung bedeutet. Rafał Trzaskowski von der liberalkonservativen Platforma Obywatelska (PO, Bürgerplattform) hat bei der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen 31,4 % der Stimmen erhalten. Karol Nawrocki von der rechtskonservativen PiS (Prawo i Sprawiedliwość, Recht und Gerechtigkeit) konnte 29,5 % der Stimmen auf sich vereinen. Diese beiden Kandidaten stehen in zwei Wochen in der Stichwahl zur Wahl.
Auf dem dritten und vierten Platz landeten rechtsradikale und antisemitische Kandidaten wie Sławomir Mentzen (14,8 %) von der rechtslibertären Konfederacja Wolności i Niepodległości (Konföderation der Freiheit und Unabhängigkeit) sowie Grzegorz Braun (6,3 %) von der monarchistisch-euroskeptischen Konfederacja Korony Polskiej (KKP, Konföderation der Polnischen Korne“). Kandidaten der Koalitionsparteien Trzecia Droga (Dritter Weg), Szymon Hołownia, und Lewica (Linke), Magdalena Biejat, haben mit 4,9 % bzw. 4,1 % vergleichsweise schwache Ergebnisse erzielt, wenn man die Rolle ihrer Parteien in der Regierungskoalition betrachtet.
Mit den Stimmen der Wähler der Rechtsradikalen Mentzen, der antisemitisch, homophob, antieuropäisch und ausländerfeindlich ist, und Braun könnte Nawrocki rein von den Zahlen her betrachtet die absolute Mehrheit erringen. Wenn der Entscheidung zwischen Trzaskowski und Nawrocki jedoch eine polen- und europaweite Bedeutung für die Richtungsentscheidung gegeben wird, werden die Karten vor der zweiten Runde, vor der Stichwahl, neu gemischt.
Der Ausgang der Wahlen könnte richtungsweisend für die polnische Politik der nächsten Jahre sein. Innenpolitisch könnte es dazu kommen, dass die pro-europäische Regierung nach nur einem Jahr abgestraft werden könnte bzw. die europaskeptische, rechtspopulistische PiS-Partei wieder an Fahrt gewinnen könnte. Es könnte aber auch zu einer Festigung der bisherigen Politik der Öffnung nach Europa hin kommen.
Aus deutscher Sicht wäre Rafał Trzaskowski beste Wahl, da er pro-europäisch und grundsätzlich Deutschland gegenüber positiv eingestellt ist, wie es auch die aktuelle polnische Regierung ist, die Polen reformieren und wieder der EU annähern will, nachdem die ehemalige PiS-geführte Regierung der Rechtsstaatlichkeit geschadet und die Beziehungen zu Deutschland und der EU massiv verschlechtert hat. Auch die Deutsche Minderheit hatte in den gut acht Jahren der PiS-Regierung mit erschwerten Bedingungen zu kämpfen, die neben den allgemeinen politischen und gesellschaftlichen Spannungen vor allem in der massiven Einschränkung des Unterrichts von Deutsch als Minderheitensprache zu sehen war, was einen Angriff auf die Identität der Minderheit und eine Diskriminierung der Kinder und Jugendlichen aus der Deutschen Minderheit bedeutete. Nawrocki könnte im Falle eines Wahlsieges Dudas Vetopolitik fortsetzen und Tusks Regierungskoalition behindern und langfristig sogar zu Fall bringen.
Sowohl Trzaskowski als auch Nawrocki haben ihre Anhänger für Sonntag, den 25.05.2025, zu Großdemonstrationen in Warschau aufgerufen, um Wähler für die Stichwahl zu mobilisieren. Der zweite Wahlgang steht am 01.06.2025 an. Das Rennen ist offen und eine Prognose fast nicht möglich.
Aus der Deutschen Minderheit in Polen liest man in den Sozialen Medien einige Eindrücke und Reaktionen zum Ausgang des ersten Wahlgangs. Der Vorsitzende des Verbands der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen (VdG), Rafał Bartek, erwähnt, dass Präsidentschaftswahlen in Polen sich durchaus dadurch auszeichnen, überraschende Ergebnisse zuliefern. Man merke, dass bei den Präsidentschaftswahlen doch eher Kandidaten aus dem rechten politischen Spektrum gewählt werden. Das Rennen aber sei offen und man sei gespannt auf den Ausgang in zwei Wochen.
Der Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Minderheiten (AGDM) und ehemalige VdG-Vorsitzende Bernard Gaida betont in den Sozialen Medien, dass es bekannt sei, dass die meisten Menschen in Polen konservative Ansichten haben – auch die aus der Deutschen Minderheit. Diese Menschen sind nicht unbedingt rechts- oder nationalistisch, sondern einem „gesunden Konservatismus“ zugeneigt, der pro-europäisch und christlich zugleich sein kann. Dies werde beider Kritik des Wahlergebnisses durch die liberalen und politisch linken Stimmen vergessen, so Gaida weiter.
Sehen Sie einen interessanten Beitrag von ARTE zur Präsidentschaftswahl in Polen:
Auch die Tagesschau berichtet zur Bedeutung und zum Ausgang der Wahl: