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Datum
7.6.2024
Autor
Stiftung Verbundenheit

Reisebericht aus Kasachstan

Die Delegationsreise der Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Natalie Pawlik MdB, begann in Astana mit der 20. Regierungskommissionssitzung für die Angelegenheiten der in Kasachstan lebenden Deutschen Minderheit. Den Vorsitz hatte Natalie Pawlik gemeinsam mit Roman Vasilenko, dem stellvertretenden Außenminister der Republik Kasachstan. Für die Stiftung Verbundenheit als Mittlerorganisation war Teamleiterin und Projektkoordinatorin Erika Erhardt vor Ort.

Die Kommission erörterte die gemeinsame Verantwortung zur Unterstützung deutschen Minderheit in Kasachstan. Die Schwerpunkte lagen auf der Jugendarbeit, der Sprachförderung und Sicherstellung der Aktivitäten der Begegnungsstätten. Diese Bereiche leisten einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung der Deutschen in Kasachstan. In diesem Zusammenhang berichtete Herr Yevgeniy Bolgert, Vorsitzender des Aufsichtsrates der Gesellschaftlichen Stiftung „Vereinigung der Deutschen Kasachstans ‚Wiedergeburt‘“, dass im Jahr 2023 über 400 Projekte durchgeführt wurden. Der Fokus der Projektarbeit im Rahmen des Förderprogramms des Bundesministeriums des Innern und für Heimat für deutsche Minderheiten in den Staaten Mittel- und Osteuropas und in den Staaten der GUS lag im Jahr 2023 auf dem XI. Republikanischen Festival der Deutschen Kultur „Wir sind zusammen2023“. An zwei Tagen wurde die facettenreiche Kultur der deutschen Minderheit in Kasachstan präsentiert, womit unter anderem die Mehrheitsgesellschaft Kasachstans auf das Kulturerbe der Deutschen aufmerksam gemacht wurde.

Die Aktivitäten im Bereich der Jugendarbeit wurden von der Vorsitzenden des Verbandes der Deutschen Jugend Kasachstans, Kristina Larina, vorgestellt. Mithilfe der 20 durchgeführten Projekte wurden insgesamt ca. 30.000 junge Menschen im Alter von 12 bis 35 Jahren erreicht. Auch hier wurde das Augenmerk auf den Erwerb der deutschen Sprache gelegt und die Fortbildung der aktiven Jugendlichen, zum Beispiel im Projektmanagement.  Auf diese Weise kann die Deutsche Minderheit in Kasachstan auf relevanten Plattformenstärker vertreten sein.

Berichtet wurde ebenso über die Partnerschaftsprojekte der deutschen Minderheit Kasachstans: zum einen mit dem Jugend- und Studentenring der Deutschen aus Russland e.V. (JSDR) und zum anderen mit der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland e.V. (LmDR). Die gemeinsamen Projekte tragen zur Brückenfunktion zwischen den in Kasachstanlebenden Deutschen und der in Deutschland lebenden Aussiedler aus Kasachstanbei. Diese partnerschaftliche Arbeit soll auf Wunsch der deutschen und der kasachischen Seite der Kommission vertieft und weiterentwickelt werden.

In dem von beiden Seiten der Kommission unterschriebenen Kommuniqué wurden die Pläne zum weiteren Verlauf der Unterstützung der deutschen Minderheit in Kasachstan festgehalten.

Im Rahmen der Delegationsreise wurde das Kasachisch-Deutsche Zentrum in Astana besichtigt. Hier hat die Gesellschaftliche Stiftung Wiedergeburt den Sitz ihres Exekutivbüros und der Regionalen Gesellschaft Astana und des Gebiets Akmola. Neben der täglichen Büroarbeit werden im Kasachisch-Deutschen Zentrum verschiedene Zirkel und Projekte durchgeführt. Angeboten werden zahlreiche Sprachkurse zu unterschiedlichen Niveaustufen sowie Jugendprojekte und weitere Projekte, die sich der Ethnokultur der Deutschen widmen. Das Kasachisch-Deutsche Zentrumversteht sich als Kultur- und Wirtschaftszentrum der Deutschen in Kasachstan. Ihre Aufgaben sehen sie in der Beratung der ethnischen Deutschen Kasachstans, Bewahrung der nationalen Identität und deutschen Sprache. Dazu gehört auch der Auf- und Ausbau der Kontakte in den Bereichen der Zivilgesellschaft und Wirtschaft Kasachstans und Deutschlands.

Von der Arbeit der Regionalen Gesellschaft konnten sich Natalie Pawlik und ihre Delegation einen Eindruck verschaffen. Vorgestellt wurden Gesang- und Tanzgruppen, die Spracharbeit mit Kindern und der spielerische Erwerb von Kenntnissen zur Geschichte der Deutschen in Kasachstan. Dr. Julia Podoprigora referierte zum Fortschritt des Projekts „Das elektronische Archiv der Kasachstandeutschen“, bei dem eine dreisprachige (Deutsch, Russisch, Englisch) Datenbank erstellt wird, die Informationen zu Deportierten in Kasachstan bieten soll. In diesem Zusammenhang arbeitet das Team der Gesellschaftlichen Stiftung Wiedergeburt seit 2022 mitkasachischen Archiven und sichtet sogenannte Wagonlisten, die die Namen der Deportierten enthalten. Diese Listen werden digitalisiert und stehen nach Fertigstellung des Online-Archivs Interessierten weltweit zur Verfügung.

Natalie Pawlik lobte die Arbeit des Archivs, da sichtbar ist, mit wie viel Engagement das Projekt verwirklicht wird. Auch in Deutschland ist das Thema der Erinnerungskultur sehr relevant, daher ist es laut Pawlik besonders beeindruckend, dass die Aufarbeitung der Geschichte der Deportation der Deutschen aus der deutschen Minderheit selbst geleistet wird.

Weiter ging es für die deutsche Delegation nach Akmol und zur Gedenkstätte ALZHIR, bei der Natalie Pawlik einen Kranz niederlegte in Gedenken an die Gefangenen des Lagers.

ALZHIR - Lager Akmol für die Ehefrauen der Volksverräter – war das größte sowjetische Lager für Frauen, indem sich 1938 ca. 8.000 weibliche Häftlinge befanden. Dieses Lager wurde auf Anordnung des Volkskommissariat für innere Angelegenheiten (NKWD) der UdSSR im August 1938 eröffnet. Gemäß dem Erlass des Zentralen Exekutivkomitees der UdSSR sollten Mitglieder der „Familien der Vaterlandsverräter“ zu einer Freiheitsstrafe von 5-10 Jahren verurteilt oder für 5 Jahre nach Sibirien verbannt werden. Anfang 1953 wurde das Lager ALZHIR geschlossen.

Ebenfalls in der Stadt Akmol hatte die Delegation um Natalie Pawlik die Gelegenheit einen der zahlreichen deutschen Unternehmer Kasachstans, Alexander Lorenz, kennenzulernen. Lorenz ist der Gründer der Firma „Kurochka Ryaba“ GmbH, bei der es sich um eine der führenden Produzenten für Geflügelfleisch und Eier in Kasachstan handelt. Darüber hinaus ist Alexander Lorenz der Generaldirektor der Managementfirma „Shanyrak“, engagiert sich für den Bau von Schulen und leistete einen Beitrag zum Bau der lutherischen Kathedrale in Astana. Im Herbst 2023 wurde Alexander Lorenz von der Gesellschaftlichen Stiftung Wiedergeburt im Rahmendes Wettbewerbs „Avantgarde der Deutschen Kasachstans“ in der Kategorie „Wohltätigkeit“ für sein Engagement ausgezeichnet.

 

In der Stadt Lisakowsk (Region Kostanai) nahm die deutsche Delegation an der feierlichen Eröffnung des Deutschen Hauses teil. Dieses wichtige Ereignis wurde vom Akim der Stadt, AbaiIbrajew, begleitet. Dank der finanziellen Unterstützung des Förderprogramms des Bundesministeriums des Innern und für Heimat für deutsche Minderheiten in den Staaten Mittel- und Osteuropas und in den Staaten der GUS und desstellvertretenden Sprechers der Mäschilis des Kasachischen Parlaments, Albert Rau, verfügt die deutsche Minderheit in Lisakowsk, die immerhin 6,5% der Bewohner darstellt, nun über geeignete Räumlichkeiten für die Durchführung ihrer Projektarbeit.

In der Stadt Lisakowsk leben rund 50 verschiedene ethnische Gruppen. Um das kulturelle Erbe dieser Ethnien zu bewahren, wurde entschieden, dass jede Schule einer ethnischen Gruppe zugeordnet wird. Auf diese Weise lernen die SchülerInnen die Traditionen und Bräuche der jeweiligen Ethnien kennen, die sie bei Stadtfesten den weiteren BürgerInnen präsentieren. Damit steigt das gegenseitige Verständnis der unterschiedlichen Kulturen und fördert den Zusammenhalt der BewohnerInnen. Die Schule Nr. 4 der Stadt Lisakowsk präsentiert hierbei die Kultur der Deutschen in Kasachstan. Dort konnte die deutsche Delegation die Darstellung einer wolgadeutschen Hochzeit erleben.  

Das städtische Museum Lisakowsk für Geschichte und Kultur des oben Tobol-Flusses wurde 1991 gegründet und beinhaltet die regionale Geschichte und Heimatkunde der Stadt Kostanai, das am Fluss Tobol liegt. Beim Besuch von Natalie Pawlik mit ihrer Delegation konnte ein Eindruck über die Gegenstände der deutschen Ethnographie im Saal „Kultur der Völker Kasachstans“ gewonnen werden. Unter anderem waren alte deutsche Bücher, Tafeln und Gegenstände des Alltags und des religiösen Lebensausgestellt. Das Museum arbeitet aktiv mit der Regionalgesellschaft der Gesellschaftlichen Stiftung Wiedergeburt in Lisakowsk zusammen. Insbesondere mit den Mitgliedern des Clubs „Junge Ethnographen“, über deren Ergebnisse einer Expedition berichtet wurde.

Mit Sergej Blok lernte die Delegation einen weiteren deutschen Unternehmer der Stadt Kostanai kennen. Der Geschäftsführer des Unternehmens „Novyj den‘“ (Neuer Tag) empfang die Delegation in seinem Unternehmen, das hochwertige Produkte aus Milch herstellt. Neben herkömmlicher Milch gehören auch Käse, Butter, Sauermilcherzeugnisse und Eis zum Sortiment, das in ganz Kasachstan in Supermärkten zu kaufen ist. Für die deutsche Minderheit engagiert sich der Geschäftsführer im Rahmen von finanzieller und materieller Unterstützung. Beim XI. Republikanischen Festival der Deutschen Kultur „Wir sind zusammen 2023“ spendete Blok eine 4-stellige Anzahl an Eisportionen. Der Regionalgesellschaft der Gesellschaftlichen Stiftung Wiedergeburt in Kostanai stellt der Geschäftsführer ein Haus zur Verfügung, in dem die Programmarbeit im Rahmen des BMI-Förderprogramms durchgeführt wird. Davon konnte sich Natalie Pawlik mit ihrer Delegation ein Bild verschaffen. Begrüßt wurde die Delegation mit einer Tanzgruppe, bevor sie selbst beim Basteln aktiv werden konnte. Thema des Programms war „Der Frühling ist da!“, daher wurden Pfingstrosen als Symbol des Frühlingsfestes gebastelt. Ein Damenchor sang gemeinsam mit den Gästen wolgadeutsche Lieder wie „Schön ist die Jugend“. Kulinarisch konnten die Gäste sich mit einem Steppentee und selbstgemachten Waffeln und Nardek (Sirup aus Wassermelonensaft) aufwärmen.

Im deutschen Haus erhielt die Delegation eine Führung durch ein Museumszimmer, in dem Olga Kikolenko, Mitglied des Aufsichtsrats der Gesellschaftlichen Stiftung Wiedergeburt, einen Vortrag hielt über die Gründung der Republik der Wolgadeutschen und das schwierige Schicksal mancher Exponate.

Aktiv einbringen konnte sich die deutsche Delegation beim „Spruchkurs“ mit Igor Niederer. Nach einigen Informationen zu den Schriftarten der Sprüche konnten eigene Postkarten mit der erlernten Spruchtechnik erstellt werden. Vom Einfluss der Programmarbeit auf das Leben der Jugendlichen konnten sich die Gäste aus Deutschland bei einer Präsentation eines jungen Ehepaares überzeugen, die im vergangenen Jahr eine traditionelle wolgadeutsche Hochzeit gefeiert haben.

In der Zeit vom 20. bis zum 25. Mai fand im Republikanischen Akademischen Deutschen Schauspielhaus von Almaty das I. Internationale deutschsprachige Theaterfestival „Spielberg ATA“ statt. Insgesamt acht Theatergruppen aus ganz Kasachstan, Usbekistan und Polennahmen an dem Festival teil. Dabei nahmen sie an verschiedenen Workshops teil, um über das Theaterspielen ihre Deutschkenntnisse zu verbessern und mehr über die Geschichte der Deutschen in Kasachstan zu erfahren. Am vorletzten Tag des Festivals wurden alle 8 Theateraufführungen vorgestellt und eine Jury aus ausgewählten Expertinnen und Experten bewertete die dargebotenen Leistungen. Ausgezeichnet wurden unterschiedliche Kategorien, wie „Beste Musikalische Leistung“, „Bestes Deutsch auf der Bühne“, „Beste Theateraufführung“ und weitere. Die feierliche Preisverleihung an die Finalistinnen und Finalisten wurden von Natalie Pawlik vorgenommen. Die Ergebnisse des Theaterfestivals haben gezeigt, dass das Theaterspielen eine geeignete Plattform für kreative Jugendliche bietet. Eine Besonderheit war, dass das Festival im Republikanischen Akademischen Deutschen Dramatheater in Almaty stattfand, das ein wichtiger Teil des deutschen Lebens in Kasachstan darstellt.

 

Während des weiteren Aufenthalts in Almaty traf sich die Delegation mit VertreterInnen des Goethe-Instituts Almaty und besuchten die Kasachisch-Deutsche Universität. In den Gesprächen tauschten sich die VertreterInnen über die aktuellen Schwerpunkte der Arbeit aus. Die nächste Station war das Deutsche Haus der Regionalgesellschaft Almaty. Hier wurde die deutsche Delegation herzlich empfangen und erhielt eine Führung durch das Haus und einen Einblick in die Programmarbeit der unterschiedlichen Generationen.

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