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Datum
9.7.2025
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Deutsch genug? – Lesung mit Ira Peter

Als Abschluss der Veranstaltungsreihe der „Tage der Verbundenheit“ fand im Bayreuther Rathaus eine Lesung mit Ira Peter statt. Die Autorin las aus ihrem 2025 erschienenen Buch „Deutsch genung? Warum wir endlich über Russlanddeutsche sprechen müssen".

Stefan Schuh, dritter Bürgermeister der Stadt Bayreuth, betonte in seinem Grußwort, dass Bayreuth nicht nur zur Festspielzeit international sei. In der Stadt leben Bürgerinnen und Bürger unterschiedlichster Abstammung, darunter 2500 Menschen mit Wurzeln aus und zu Russland. Die Stadtverwaltung ist sehr bemüht, sie in das Leben der Stadtgemeinschaft einzubinden. Zum besseren Verständnis trage Ira Peters Buch stark bei.

Stiftungsratsvorsitzender Hartmut Koschyk ist der Ansicht, Ira Peter habe mit ihrem Buch ein Nerv getroffen, denn nicht ohne Grund schaffte es das Buch auf die Seiten großer Zeitungen wie z. B. die der Frankfurter Allgemeinen Zeitung oder der Süddeutschen Zeitung. Die wortgewandte Autorin, die auch Mitglied des Kuratoriums der Stiftung Verbundenheit ist, schreibt über die Deutschen aus Russland auf besonderer Weise.

Johann Thießen, Bundesvorsitzender der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland (LmDR), dankte der Stiftung Verbundenheit, dass die Stiftung im Rahmen von „Tage der Verbundenheit" auch den Deutschen aus Russland Veranstaltungen widmete. Der Bundesvorsitzende sagte, dass Ira Peter ein Zeichen für die Russlanddeutschen setze bzw. auch den Blick der Jugend auf die Volksgruppe lenke. Thießen berichtete auch darüber, dass die Ausstellung „Deutsche aus Russland. Geschichte und Gegenwart“ von der LmDR, die seit 13 Jahren an zahlreichen Orten in Deutschland mit Erfolg gezeigt wird, seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine immer häufiger Absagen erfahre. Deswegen sei es so wichtig, dass die Ausstellung nun im Bayreuther Rathaus zusammen mit der Ausstellung der Stiftung Verbundenheit „Kulturerbe der Wolgadeutschen in Argentinien“ zu sehen ist.

Die Lesung wurde von Peter Aifeld, Projektkoordinator der Stiftung Verbundenheit, moderiert. Er stellte die Autorin, Journalistin und Bloggerin vor. Ira Peter ist 1983 in Kasachstan geboren und lebt seit 1992 in Deutschland. Sie arbeitet als freie Journalistin. Für ihren Podcast Steppenkinder wurde sie 2022 unter anderem mit dem russlanddeutschen Kulturpreis des Landes Baden-Württemberg ausgezeichnet. Aifeld, der selbst in jungen Jahren aus Kasachstan mit seiner Familie nach Deutschland umsiedelte und auch Familienforschung betreibt, betonte, dass man bislang vor allem die Vergangenheit erforscht habe, jedoch mit dem Auftreten von Ira Peter den Blick in die Gegenwart der Russlanddeutschen lenke.

Ira Peters Großeltern waren deutsche Kolonisten in Wolhynien und wurden 1936 nach Nordkasachstan deportiert. Auf ihrer Spurensuche besuchte die Autorin 2013 die ehemalige Sondersiedlung in Kasachstan, wohin ihre Vorfahren zwangsumsiedelt wurden und fand auch das Grab ihres Großvaters. Allerdings ist dort fast nichts mehr vorzufinden, die Siedlung hat sich aufgelöst, die Bewohner sind nach Deutschland abgewandert. Aber es gab auch nicht was einem dort gehalten hätte. Der von den Sowjets dem Ort gegebene Name „Fröhliches Leben“ hatte nichts mit der Realität zu tun.

1992 entschied das Ehepaar Peter mit den drei Kindern als Spätaussiedler in die Bundesrepublik Deutschland auszuwandern. Die kleine Irina, die damals 9 Jahre alt war, träumte damals von Gummibärchen, spürte aber nach der Ankunft bald, dass obwohl sie eine Deutsche ist, sich trotzdem von den Deutschen unterscheidet. Von den Schwierigkeiten der Eltern in der neuen Heimat anzukommen, nahm sie als Kind wenig wahr. Zunächst wollte sie unauffällig bleiben, sich so bald wie möglich assimilieren. Später wollte sie aber immer mehr vom Familienschicksal erfahren. Glücklicherweise lebte eine Tante in Osnabrück, die ihr viel erzählte. In ihrem Buch behandelt Peter aber nicht nur ihre eigene Familiengeschichte, denn sie beschreibt Ereignisse, die allgemein für die Erfahrungen der Deutschen aus Russland stehen: die Schwierigkeiten der Elterngeneration Hochdeutsch zu erlernen, die Schulabschlüsse anerkennen zulassen, eine Anstellung zu finden, aber auch die Sehnsucht nach Zuhause ist ein wiederkehrendes Motiv. Ira Peter erläuterte bei der Lesung auch, dass die Bezeichnung Russlanddeutsch negativ geprägt sei, denn es ist ein historischer Begriff aus der NS-Zeit. Die Deutschen aus Russland bilden jedoch keine homogene Volksgruppe, denn sie stammen aus den Regionen Wolhynien, Wolga, Krim, Schwarzmeergebiet und Kaukasus. Sie verließen aufgrund von Diskriminierung und Verfolgung die ehemalige Sowjetunion und ihre Nachfolgestaaten. Heute beträgtdie Zahl der registrierten Aussiedler und Spätaussiedler in Deutschland 2,4 Millionen. Ira Peter kam auch auf das Thema der transgenerationalen Traumata zusprechen. Viele der Nachfahren setzen sich aufgrund dessen mit ihrer Familiengeschichte auseinander.

Auch durch die Digitalisierung wird die Ahnenforschung immer populärer bzw. sie ermöglicht noch umfangreichere und erfolgreichere Suchen. So hat Peter auch die Spur ihrer Verwandten in Bayreuth gefunden und hofft darauf, Kontakte knüpfen zu können.

Die sehr gut besuchte Lesung war gleich auch die letzte Veranstaltung der „Tage der Verbundenheit“. Die erwähnten Ausstellungen der Stiftung Verbundenheit und der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland sind aber noch bis Anfang August im Rathaus zu besichtigen.

Die Ausstellungen “Deutsche aus Russland. Geschichte und Gegenwart” und “Kulturerbe der Wolgadeutschen in Argentinien“ sind bis zum 04.08.2025 im Rathaus Bayreuth (1.OG) während der Öffnungszeiten in der Zeit von 08:00 - 18:00 Uhr zu sehen.  
Eine weitere Ausstellung des ostbelgischen Künstlers Andreas Stoffels, die die "Tage der Verbundenheit" eröffneten, unter dem Titel „Zwischen den Welten - Deutsche Redewendungen im interkulturellen Gewand“ ist des Weiteren bis zum 01.08.2025 von Montag bis Freitag immer von 9:00 - 16:00 Uhr in den Büroräumlichkeiten der Stiftung Verbundenheit (An der Feuerwache 19 in Bayreuth) zu sehen.

 

 

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