Als Teil der „Tage der Verbundenheit“ lud die Stiftung Verbundenheit mit den Deutschen im Ausland zu einem Wirtschaftsforum ein, indessen Rahmen mehrere Panels stattfanden und der neue Fachbeirat Wirtschaft der Stiftung ins Leben gerufen wurde.
Der Veranstaltungsort und Gastgeber des Wirtschaftsforums war Handwerkskammer für Oberfranken (HWK) in Bayreuth. Ihr Hauptgeschäftsführer Reinhard Bauer richtete ein Grußwort an die Teilnehmenden, in welchem er die Bedeutung der internationalen Öffnung des Handwerks und des Mittelstands sowie einer wirtschaftlichen Zusammenarbeit auf Augenhöhe über Grenzen und Sprachbarrieren hinweg betonte. Auch Herr Josef Zellmeier, MdL, Vorsitzender des Ausschusses für Staatshaushalt und Finanzfragen im Bayerischen Landtag sowie Landesvorsitzender der Karpatendeutschen Landsmannschaft in Bayern, richtete ein Grußwort an die Teilnehmer. Seiner Ansicht nach sollten Landsmannschaften nicht nur Kultur und die Erinnerung an die Vergangenheit pflegen, sondern den Blick auch stets nach vorne richten. Gerade aus gemeinsamen kulturellen und verwandtschaftlichen Beziehungen könnten Brücken gebaut werden und Bayern habe bereits eine lange Tradition der Kontaktpflege zu seinen Nachbarn und den deutschen Minderheiten im Osten. Das Wirtschaftsforum der Stiftung bezeichneteZellmeier als „gelebte Weltverbundenheit“.

Der Ratsvorsitzende der Stiftung Verbundenheit, Hartmut Koschyk, richtete seinen Dank an den Gastgeber – die HWK Oberfranken – sowie an die Panelteilnehmenden und alle Gäste des Wirtschaftsforums. Er bezeichnete die Oberfranken als „Meister im Wandel“ und sprach von einer „Region wirtschaftlicher Hidden Champions und Global Player“. Dazu zählten auch die am Vortag von einer internationalen Wirtschaftsdelegation der Stiftung Verbundenheit besuchten Unternehmen Margraf sowie KSB.

Koschyk erklärte, dass die Stiftung Verbundenheit vor Kurzem ein Papier verabschiedet hat, das eine Neugewichtung der Rolle der Minderheiten aus bundesdeutscher Perspektive fordert. Sechzig Millionen Menschen weltweitseien durch die deutsche Sprache und Abstammung miteinander verbunden. Das biete große Chancen, was sich in Erfolgsmodellen wie z. B. dem deutschen Schulwesen in Rumänien zeige. Im Rahmen der „Tage der Verbundenheit“ fanden zudem sehr gute Gespräche mit dem Gouverneur der Provinz Entre Ríos in Argentinien, Rogelio Frigerio, statt. In dieser Provinz sind ca. 20% der Bevölkerung deutscher Abstammung.

Das erste Panel setzte sich mit dem Thema Brückenfunkton deutscher Unternehmerpersönlichkeiten aus aller Welt auseinander. Die Leitfrage lautete dabei: „Wie können Unternehmerpersönlichkeiten aus den Reihender deutschen Minderheiten und deutschsprachigen Gemeinschaften Brücken zum deutschen Mittelstand schlagen?“ Am Panel nahmen neben Josef Zellmeier, MdL und Reinhard Bauer auch Yevgeniy Bolgert, Aufsichtsratsvorsitzender der Stiftung „Wiedergeburt“ der deutschen Minderheit in Kasachstan und Abgeordneter des Senats Kasachstans, Cristina Arheit-Zapp, Unternehmerin und Vorstandsmitglied im Dachverband deutsch-argentinischer Vereinigungen, Argentinien sowie Janina Kiekebusch, stellvertretende Leiterin der Stabsstelle International Nordamerika, Europa und EU-Politik Industrie- und Handelskammer (IHK) Oberfranken Bayreuth teil.

Bolgert ging auf die Wechselwirkung zwischen deutscher Identität und wirtschaftlichem Engagement ein. Kasachstan sei Bayerns wichtigster Handelspartner in Zentralasien und die Mitglieder deskasachisch-deutschen Businessclubs, deren Vertreter auch zahlreich am Wirtschaftsforum teilnahmen, seien dabei wichtige Brückenbauer. Auch er maß den menschlichen Beziehungen, den geteilten Werten und der nationalen Identität eine Schlüsselrolle für die Entwicklung von Vertrauen und stabilen Partnerschaften bei. Aus Zellmeiers Sicht hat Bayern schon immer eine besondere Rolle für die deutschen Minderheiten im Ausland gespielt und gute Kontakte gepflegt. Es sei wichtig, stets Wertschätzung für sie auszudrücken und das Bewusstsein für die Minderheiten und ihren Mehrwert zu fördern.
Frau Arheit-Zapp betonte die Bedeutung der Sprache als wichtigen Faktor für gute und stabile Wirtschaftsbeziehungen. Über eine gemeinsame Muttersprache und übereinstimmende Wertvorstellungen im Wirtschaften werde Vertrauen aufgebaut, das Kontakte auch über schwierigere Perioden hinweg am Leben erhalte.
Als Vertreterin der IHK lenkte Frau Kiekebusch den Blick aufdie weltweit verteilten Außenhandelskammer, die sie für ein wahres Erfolgsmodell darstellen. An dreißig Standorten rund um den Globus seien zusätzlich auch bayerische Vertretungen zu finden, die sowohl für Interessenten aus Deutschland als auch für Unternehmer vor Ort als Ansprechpartner und Beraterdienen. Kiekebusch riet dazu, die bestehenden Strukturen stärker zu nutzen und als Grundlage für eine weitere transnationale Vernetzung zu gebrauchen.
Bauer führte die seit Jahren anhaltende und sehr fruchtbare Zusammenarbeit der HWK Oberfranken mit den Partnern aus Carcassonne in Frankreich als Beispiel für gewinnbringende Kooperation an. Die Bedeutung von Netzwerken könne nicht überschätzt werden. Eine Limitierung bestehe hier aber durch das begrenzte Personal. Formate wie das Wirtschaftsforum der Stiftung Verbundenheit seien daher wichtig und notwendig, um potentielle Partnerzusammenzubringen sowie Chancen und Bedarfe auszuloten.

Im zweiten Panel ging es um die Ausbildungsbrücke –Vermittlung von Auszubildenden und Fachkräften. Die Panelteilnehmer waren Antje Benítez Baumann aus Argentinien, welcher von der Stiftung Verbundenheit 2019 für eine Ausbildung zur Hotelfachfrau nach Deutschland vermittelt wurde, Cristina Arheit-Zapp, Dr. Bernhard Haberl, Schulreferent der Berufsfachschule für Pflege, Arche Teach & Work, sowie Jan Wilms, Geschäftsführer Finanzen der Stiftung Verbundenheit und Koordinator des Personalvermittlungsprogramms der stiftungseigenene gemeinnützigen Gesellschaft für Verbundenheit durch Kultur, Bildung und Wirtschaft (GVKBW). Die Leitfrage lautete hier: „Wie gelingt nachhaltige Fachkräftevermittlung aus dem Ausland?“
Wilms nannte sogleich Frau Benítez Baumann als lebendes Beispiel für den Erfolg von Fachkräftevermittlung. Die GVKBW habe bereits über 50Kandidaten erfolgreich vermittelt; auch über die deutschsprachigen Gemeinschaften hinaus. Trotz den Neuerungen im Fachkräfteeinwanderungsgesetz von 2024 gestalte sich die Vermittlung aufgrund der Bürokratie oft nicht so einfach. Hier wäre eine stärkere Bündelung der Institutionen und Prozesse von deutscher Seite her erwünscht.

Dies bestätigte die mittlerweile ausgebildete Hotelfachfrau Benítez Baumann. Die Stiftung Verbundenheit habe ihr durch die GVKBW sehr beider Bewältigung der bürokratischen Hürden geholfen. Auch sie betonte die entscheidende Rolle der deutschen Sprache und erklärte ebenfalls, dass sie sich in Deutschland von Beginn an willkommen gefühlt habe.
Dr. Haberl schloss hier direkt an und hob die Bedeutung der menschlichen Kontakte und eines positiven Umgangs mit ausländischen Fachkräften als Schlüssel zum Erfolg hervor. Es gehe in hohem Maße darum, die notwendigen Strukturen in den Betrieben zu schaffen, z.B. mit Hilfe von Integrationscoaches, die den vermittelten Auszubildenden und Fachkräften von Anfang an klar zu kommunizieren, was sie in Deutschland erwartet.

Arheit-Zapp sprach die Schwierigkeiten an, die in Argentinien für eine Adaption des dualen Ausbildungssystems bestehen. Es sei zwar bereits vor 40 Jahren in kleinem Umfang eingeführt worden, v. a. die argentinischen Gewerkschaften stünden dem deutschen System aber skeptisch gegenüber. Auch bestehe eine große Angst vor einer Fachkräfteabwanderung nach Deutschland. Hier müsse noch Aufklärungsarbeit für mehr Akzeptanz und ein Bewusstsein für die zahlreichen Vorteile des dualen Systems geleistet werden.

Im dritten Panel, Die Rolle der Wirtschaftsstiftungen,ging es um die Leitfrage: „Wie stärken Wirtschaftsstiftungen deutscher Minderheiten den Mittelstand?“. Die Panelteilnehmer waren Richard Neugebauer ,Direktor der Stiftung Bohemia Troppau aus Tschechien, Benjamin Neurohr, Geschäftsführer des Banater Vereins für internationale Kooperation aus Rumänien, Yevgeniy Bolgert, Timo Prekop, Leiter des neuen Fachbeirates Wirtschaft der Stiftung Verbundenheit und gleichzeitig Landesvorsitzender der Karpatendeutschen Landsmannschaft in Bayern, sowie Florian Willershausen, Mitglied des Fachbeirates.
Neugebauer schilderte den Anwesenden die Funktionsweise und Erfahrungen, die die Wirtschaftsstiftung Bohemia seit ihrer Gründung gemacht hatte, darunter, dass man sich als Reaktion auf aktuelle Entwicklungen auf dem Finanzmarkt dazu entschieden habe, einen Teil des Kapitals nachhaltig zu investieren.
Neurohr erläuterte die regional gegliederte Organisation und Finanzierung der rumänischen Wirtschaftsstiftungen und führte erfolgreiche Beispiele für die von der Banater Stiftung vermittelte Wirtschaftsförderung aus den vergangenen Jahren an.
Prekop, erster Vorsitzender des neuen Fachbeirates Wirtschaft der Stiftung Verbundenheit, sprach über seine Erfahrungen und Eindrücke, die er während seiner Tätigkeit im Bereich Afrika und Asien gemacht hatte. U. a. führte er die Bedeutung der in der DDR ausgebildeten vietnamesischen Fachkräfte für die gegenwärtige Wirtschaft Vietnams an.

Willershausen ging auf die Schwierigkeiten bei der Vernetzung von Wirtschaftsstiftungen und kleinen bzw. mittelständischen Unternehmen über große Distanzen hinweg ein. Es sei noch viel Arbeit zu leistenbei der Verzahnung der tatsächlich wirtschaftlich Handelnden der deutschen Minderheiten mit Entscheidungsträgern und Unternehmen in Deutschland.
Zum Abschluss des Wirtschaftsforums verkündete Hartmut Koschyk offiziell die Gründung des Fachbeirates Wirtschaft der Stiftung Verbundenheit mit den Deutschen im Ausland. Mit Timo Prekop als ersten Vorsitzenden des neuen Beirats gewinnt die Stiftung Verbundenheit einen erfahrenen Wirtschaftsexperte im Bereich des internationalen Bankwesens und Stv. Landesvorsitzender der Karpatendeutschen Landsmannschaft in Bayern. Es wird in Kürze im Detail über den Fachbeirat berichtet.

Die Stiftung Verbundenheit bedankt sich bei allen Mitwirkenden des Wirtschaftsforums und steht den neuen Aufgaben im Bereich Wirtschaft sehr positiv entgegen.